Musik und Klang bekommen in der Behandlung des Tinnitus einen immer größeren Stellenwert. Inzwischen gibt es in Deutschland anerkannte Konzepte aus der Musiktherapie, die bei Tinnitus durchaus erfolgreich sein können, wie zum Beispiel die Musiktherapie nach dem Heidelberger Modell oder die Tinnituszentrierte Musiktherapie (TIM).
Die Tinnituszentrierte Musiktherapie (TIM) wurde von mir in der HNO-Klinik Dr. Gaertner entwickelt, in die jährlich etwa 700 Tinnitus-Patienten kommen. Sie ist von einem Musiktherapeuten auch ambulant anwendbar und wirkt im akuten und chronischem Zustand, bei tonalem oder geräuschhaftem Tinnitus. Sie kommt ohne aufwendige technische Hilfsmittel und medizinische Geräte aus und ist nicht auf weiteres Personal oder auf Klinikaufenthalte angewiesen.
Die TIM nutzt den Effekt, daß bei der Wahrnehmung des Tinnitus dieselben Systeme aktiv werden wie bei der generellen Verarbeitung auditiver Reize. Das heißt, die TIM greift an allen Stellen der zentralen auditiven Verarbeitung ein. Seit mehr als 10 Jahren wird inzwischen mit der TIM in Deutschland und in der Schweiz gearbeitet.
Vorangegangen ist eine Evaluierung, bei der 156 Akut-Patienten und 18 chronische Patienten zu ihrer Tinnitusbelastung und ihrem Hörverhalten, zu eigenen Bewältigungsstrategien und den Auswirkungen verschiedener musiktherapeutischer Interventionen befragt wurden. Zusätzlich wurde vor und nach der Therapie ein Tinnitus-Profil erstellt und eine soziobiografische Anamnese vorgenommen. 46% der Patienten konnten schon während der ersten Gruppenstunde angeben, daß ihr Tinnitus zeitweise verschwunden war, bei 18% war er leiser geworden. 64,9% gaben an, daß sich ihre Einstellung zum Tinnitus deutlich gebessert habe. 85,7% fühlten sich entspannter, die musiktherapeutische Tiefenentspannung fanden 95,5% besonders angenehm. Während vor der TIM 79,8% der Befragten ihrem Tinnitus hilflos gegenüberstanden, waren es nach der TIM 87,6% die nun selbst aktiv werden wollten. 60,4% gaben ein verändertes Bewußtsein fürs Hören an. Sehr gute Ergebnisse brachte auch die Einzelarbeit, in der auf individuelle Bedürfnisse des Patienten eingegangen werden kann. Nur noch 5,5% der subakuten und chronischen Patienten fühlten sich nach der TIM stark belastet (vorher 66,6%). Die Fixierung auf das Ohrgeräusch nahm deutlich ab (vorher: 66,6%, nachher: 5,5%). Auch die Überempfindlichkeit konnte abgebaut werden: 61,1% klagten vor der TIM über zum Teil schwere Hyperakusis, hinterher waren es nur noch 11,1% die eine leichte Überempfindlichkeit angaben. Bei 88,8% war sie vollständig abgebaut. Der Lebensqualitäts-Test sowie das Tinnitus-Profil zeigten bei den Patienten insgesamt deutlich bessere Werte.